Was macht ein gutes Briefing aus?

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In meinem Beruf begegnet mir immer wieder eine besondere Herausforderung: Kunden kommen mit klaren Vorstellungen zu mir. Oft sind es ausgeklügelte Briefings, die von Agenturen gestaltet wurden – oder inzwischen sogar von künstlicher Intelligenz erstellt. Die Erwartung ist, dass ich diese Konzepte möglichst exakt in Fotografien umsetze.

Erwartungen sind die Mutter aller Enttäuschungen!

Ein Beispiel: Eine Kundin wünscht sich ein Portrait in einem grünen Kleid, auf einem grünen Ohrensessel, vor einer grünen Wand in einem hellen Büro. Dieses spezifische Szenario soll zum zentralen Element ihrer visuellen Markenidentität und der neuen Website werden.

Die Agentur hat umfassende Arbeit geleistet und trifft sich sogar mit mir zum ersten Call mit der Kundin, bei dem es darum geht, ob ich das Motiv umsetzen kann. Meine erste Frage an die Kundin war, ob sie so ein langes grünes Kleid hätte. Sie verneinte. Daraufhin fing die Agentur schon an, sich an das Konzept zu klammern und meinte, das können wir alles mit KI machen. Mir standen die Haare zu Berge.

Ich verstehe ja den Ansatz, die neue Website ist im Entstehen und die Bilder müssen genau dazu passen. Oder war es umgekehrt? Ist nicht vielleicht die Website anpassungsfähiger als die Person?

Was braucht eigentlich die Person auf dem Foto? – Meiner Meinung nach nicht einen großen Erwartungsrucksack, der einen vor der Kamera ganz steif werden lässt.

Ich verstehe das Bedürfnis nach guten Bildern Sie will gesehen werden. Sie möchte, dass ihr Bild ausdrückt, wer sie ist und wofür sie steht. Ich verstehe auch das Bedürfnis der Agentur, die natürlich alles in einem Stil sehen möchte, der später auch neue Kunden von der eigenen Leistung überzeugt.

Aber hilft es wirklich, sich hinter einer perfekt inszenierten Scheinwelt zu verstecken?

Hier beginnt oft die Enttäuschung. Denn der Nachbau eines solchen Bildes wird der Realität selten gerecht – weder der eigenen noch der eigenen.

Wie es geschmeidig läuft.

Ich erkläre meinen Kunden gern: Echte Fotografie ist kein Produkt, das man vorbestellen und abholen kann. Es ist ein Prozess – eine kleine gemeinsame Reise, bei der man eine Route festlegt.

Der Schlüssel liegt darin, nicht mit einem fixen Endbild im Kopf zu starten, sondern mit einer klaren Vision und einem flexiblen Kurs, den wir gemeinsam setzen.

So ein Shooting ist ein kreatives Projekt, das wir zusammen planen und erleben. Dabei fließen viele Faktoren ein: mein Gespür für Menschen, der Blick für Orte, die tatsächlich existieren, sowie das Erfassen von Farben, Stimmungen und Stilen, die zu den Persönlichkeiten und Bedürfnissen passen.

Das Ergebnis? Oft entstehen Bilder, die weit über das hinausgehen, was ursprünglich geplant war – kompetent, zugänglich und einfühlsam.

Natürlich ist es hilfreich, eine Leitlinie vor Augen zu haben. Farben, Hintergründe, Orte, auch Moodboards helfen dabei Inspirationen zu visualisieren. Thematische Überschriften können eine großartige Grundlage sein, um etwas tiefer ins Gefühl einzusteigen.

Doch zu starre Erwartungen – besonders wenn sie von Außen vorgegeben werden – engen den kreativen Prozess ein.

Porträtfotografie ist keine Werbekampagne. Es geht nicht darum, ein bestimmtes Bild mit Puppen nachzubauen, sondern darum, Menschen einen Raum zu geben, sich zu zeigen – nicht als Rolle, sondern als Persönlichkeit.

Für viele meiner Klienten ist es auch eine Möglichkeit, sich neu zu entdecken und alte Rollen loszulassen.

Ein gelungenes Porträt ist für mich genau das: ein Moment der Selbstentdeckung im Kontext der eigenen Mission. Es geht darum, sich neu zu betrachten – manchmal auch im wahrsten Sinne des Wortes in einem neuen Licht und Ton.

Das Leben ist Entwicklung. Stillstand wäre doch schade, oder? Warum sollten wir in einem Porträt auf einer einzigen Stufe verharren, wenn wir die Möglichkeit haben, uns weiterzuentwickeln und neue Facetten zu zeigen?

So eine Selbstentdeckung geht schlecht mit einer Vorlage.

Darum arbeite ich lieber mit einem durchdachten, aber flexiblen Rahmen. Gemeinsam setzen wir den Kurs, die Farben oder auch Stimmung der Bilder – mit Vorbereitung, Inspiration und einem klaren Ziel vor Augen. Aber wir halten uns den Raum offen, im Moment zu sein und dem Prozess zu vertrauen, uns zu vertrauen und die Kontrolle Loszulassen. Denn nur, wenn wir im Moment ankommen, können wir diesen mit unserer vollen Aufmerksamkeit bespielen.

Denn das Beste entsteht, wenn wir uns von starren Erwartungen lösen und uns auf die Reise einlassen.


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